“Nicht jedes Land fürchtet hohe Rohstoffpreise – das gilt besonders für die Emerging Markets”, sagen Denise Simon, Portfoliomanagerin/Analystin für EM-Anleihen, sowie James Donald, Portfoliomanager/Analyst für EM-Aktien bei Lazard Asset Management: “Auch für die Gesamtheit der Schwellenländer hat die Ukraine-Krise die Karten neu gemischt.” Die Experten ordnen die Gewinner und Verlierer ein und ziehen Schlussfolgerungen für die zukünftige Anlage in diese Assetklasse.
“In vielen lateinamerikanischen Ländern, Saudi-Arabien oder Südafrika sind hohe Preise gute Nachrichten. Brasiliens Wirtschaft etwa prosperiert”, berichten die Portfoliomanager: “Das Bruttosozialprodukt stieg im Jahr 2021 um 4,6 Prozent.” Trotzdem verlor der MSCI Brazil im gleichen Jahr 19 Prozent, doch die Trendwende im laufenden Jahr ist beachtlich: Ein Plus von 36 Prozent in den ersten drei Monaten beweist das. „Nettozuflüsse aus dem Ausland von circa 14 Milliarden US-Dollar zeigen, wie attraktiv dieser Markt gerade für Investoren ist“, urteilt James Donald, Leiter der Emerging Markets-Plattform bei Lazard.
Auf der Schattenseite stehen Länder wie Ungarn, Ägypten, die Türkei oder Indonesien. Sie profitieren nicht vom Rohstoffboom, müssen aber die hohen Preise für Lebensmittel bezahlen. „Zum Beispiel Ägypten: Das Land deckte bislang die Hälfte seines Weizenbedarfs aus Russland und ein Drittel aus der Ukraine“, berichtet James Donald. „Das geschätzte Haushaltsloch für das laufende Jahr beläuft sich auf etwa eine Milliarde US-Dollar.“ Ähnlich düster sieht es für die Türkei aus. Hier stammen 70 Prozent des Weizens aus Russland und 15 Prozent aus der Ukraine. Hinzu kommt, dass russische Touristen etwa 20 Prozent der Reisenden in dem Mittelmeerland ausmachen. Das wiederum könnte sich negativ auf die Außenhandelsbilanz auswirken.
„Es lohnt sich also, ganz genau hinzusehen. Kurzfristig sehen wir sicher eine höhere Volatilität in den Aktienmärkten,“ resümiert Aktienexperte Donald. „Aber es gibt Lichtblicke: Seit Ende des Jahres 2020 sind niedrig bewertete Aktien mit höheren Dividendenrenditen immer gefragter. Hier können sich für Investoren sehr interessante Einstiegsgelegenheiten bieten.“ Eine große politische Unsicherheit besteht aktuell bei chinesischen Aktien. Der Markt hat in der jüngeren Vergangenheit unter den restriktiven „Zero-COVID“-Maßnahmen gelitten und steht nun unter dem Einfluss des Ukraine-Konflikts, in dem sich China nicht recht positionieren mag.
Der völkerrechtswidrige Einmarsch in fremde Staaten steht nicht nur in Russland, sondern auch bei dem für China so wichtigen Handelspartner USA – Beipiel Irak – immer wieder auf der Tagesordnung. Daher fällt es der Volksrepublik nun auch im Ukraine-Konflikt schwer, ihre neutrale Haltung aufzugeben.
Zudem hat die US-Börsenaufsicht SEC das Delisting von sechs chinesischen Titeln im kommenden Jahr angedroht, weitere könnten folgen. „All dies werden wir in der kommenden Zeit sehr genau beobachten“, betont Donald.